Ein imposantes Grenzgebäude ist hier in der Entstehung begriffen. Angesichts des Andrangs macht es jedoch einen etwas überdimensionierten Eindruck. Wieder einmal bin ich der einzige Kunde.  Die Laoten störe ich beim Boule spielen, die Khmer beim Pokern.

20 Minuten dauert es inkl. Gesundheitscheck, dann bin ich in Kambodscha. Auf der Karte und auch in den Reiseführern findet sich noch der Hinweis, die Strecke sei nicht passierbar. Lediglich im Internet war immer wieder von der „Neuen Grenze“ bei Veun Kham die Rede.

Die Straße ist ein Mysterium, genauer der Belag. Ebenfalls nagelneu findet sich alle paar Kilometer ein Abschnitt, bei dem man den Eindruck hat, die Straße sei bombardiert worden. Es ist mir vollkommen schleierhaft, wie diese gewaltigen Schlaglöcher in vermeintlich kurzer Zeit entstehen konnten und dann auch nicht auf der ganzen Strecke sondern stets im Abstand von einigen Kilometern.

Über Stung Treng führt mich der Weg in eine meiner absoluten Lieblingsstädte, in die Hauptstadt nach Phnom Penh. Die Zeiten, als meine Frau, die Kids und ich 2005 abends mit der Fahrradrikscha durch menschenleere Straßen gefahren sind, sind zwar lange vorbei, doch immer noch besitzt die Stadt etwas, das wenige Städte haben und unabhängig von der Größe ist – Charisma. Es mögen noch so viele Touristen in den Cafés am Ufer des Tonle Sap sitzen und Tiger Beer zu überhöhten Preisen trinken, der Atmosphäre tut dies keinen Abbruch.

Das meint auch Christian, der mich vor dem Hotel an der Riverside anspricht, als ich grad die BMW in den Flur schiebe. Er ist Wirtschaftsjournalist, lebt in Bangkok und schreibt einen Artikel über die neue Börse. Genau eine Aktie ist dort gelistet, die der Wasserversorgungsbehörde Phnom Penh.

Ausgedehnte, tropische Strände sucht man in Kambodscha vergebens, doch in der Nähe von Kampot gibt es ein Dorf, das war zu Zeiten der französischen Besatzer ein mondäner Badeort, Kep. Als verschlafenes Nest habe ich den Ort in Erinnerung. Die Fassaden noch mit den Einschusslöchern aus den Gewehren der Roten Khmer und einige wenige Resorts oberhalb der Straße am Hang.

Hier wird mir der Wechsel eines Entwicklungslandes hin zu einem Schwellenland am deutlichsten. Der alte Glanz soll wohl wieder hergestellt werden und man kann nicht einmal sagen, dass es schlecht geworden ist. Keine übertriebenen Hotelkomplexe oder größenwahnsinnige Bauprojekte. Durchaus zurückhaltend hat man renoviert und erweitert, letzteres leider aber auch in preislicher Hinsicht.

Zehn Wochen bin ich nun unterwegs und fast kommt so etwas, wie Reisemüdigkeit bei mir auf. Nie hätte ich gedacht, dass es so etwas tatsächlich gibt, einmal keine Lust zu haben, auf das Motorrad zu steigen, doch so ist es. Ich verlängere meinen Aufenthalt in Kep um einen Tag, sitze auf der Veranda mit Blick auf den Ort unter mir und das Meer im Hintergrund. Ich trinke ein ganz klein wenig zu viel Bier und esse ein ganz klein wenig zu viel köstlichen, fangfrischen Fisch, dann packe ich meine Sachen und fahre am nächsten Tag zurück über Phnom Penh auf die Nordseite des Tonle Sap Sees zum größten religiösen Bauwerk der Welt, Angkor.

Genauer: Nach Siem Reap. Angkor kenne ich nämlich schon und will es so in Erinnerung behalten, wie ich es 2006 erlebt habe. Damals gab es schon viele Touristen, heute tritt man sich dort vermutlich auf den Füßen herum.

Doch es gibt Alternativen in Kambodscha, zahlreiche Alternativen. Eine davon ist Koh Ker, die bis vor kurzem am schlechtesten zu erreichende Tempelanlage das ganzen Landes und nach Angkor die weitläufigste. Nur wenige Kilometer östlich von Siem Reap geht es nach Norden in den Urwald. Man hat eine Piste angelegt, in einigen Jahren wird vielleicht die gesamte Strecke asphaltiert sein. Ich erreiche die Anlage jedoch noch überzogen mit rotem Staub. Kaum ein Tourist ist zu sehen. Bis direkt vor die Tempel, allesamt fest in den Klauen der Würgefeigen, kann ich mit der BMW fahren, undenkbar in Angkor.

Und noch ein weiteres Highlight befindet sich hier direkt an der Grenze zu Thailand, Preah Vihear. Ebenfalls eine Tempelanlage, um die sich Thailand und Kambodscha vor einigen Jahren tatsächlich geprügelt haben. So sehr, dass der gute Straßenzustand in diesem abgelegenen Winkel des Landes in erster Linie etwas mit militärischen Nachschubwegen zu tun hat. Die Zufahrt zu diesem UNESCO Weltkulturerbe ist gesäumt von Kasernen und Behelfsunterkünften schwer bewaffneter Soldaten.

Hier gab es einen Grenzübergang nach Thailand, wegen des Konfliktes jedoch geschlossen. Am Spätnachmittag fahre ich daher entlang der Grenze nach Westen und übernachte in Anlong Veng, der letzten Zufluchtsstädte des Pol Pot Regimes.

Die Grenze dort besteht aus zwei Containern, beide sind auf Thailändischer Seite. Die Kambodschaner haben nur so etwas, wie eine überdachte Theke. Dahinter ein Polizist, der mir lächeln den Pass stempelt und mein Visum somit ungültig macht sowie ein Zöllner, der Zeitung liest. Diesem reiche ich mein Carnet, das er wohlwollend prüft und mir zurückgibt – ungestempelt. Er hat keine. Wenn ich einen Ausfuhrstempel möchte, müsse ich nach Poipet fahren, 300 km entfernt. Den Zahn zieht mir aber der Polizist gleich wieder, offiziell bin ich ja schon ausgereist.

Alles Lamentieren hilft nichts, der Herr ADAC wird mir meine Kaution schon wieder zurückgeben und glauben, dass ich die BMW nicht in Kambodscha verkauft habe.

Auf Thailändischer Seite überschlägt man sich vor Freundlichkeit. Kaffee wird mir gereicht und mit vielen Verbeugungen bekomme ich ebenso viele Formulare vorgelegt... >>weiter lesen