In Adana betten wir unsere Häupter zur Ruhe um am kommenden Tag eine der beeindruckendsten Regionen der Türkei in Augenschein zu nehmen – Kappadokien. Dort haben die Menschen vor tausenden von Jahren ebenso, wie in Petra, ganze Städte aus dem Fels geschlagen. Anders, als in Petra, sind die Berge und Felsen hier schneeweiß. Zuckerhüten gleich ragen sie vom Boden der weitläufigen Ebene auf, durchlöchert, wie der sprichwörtliche schweizer Käse.

Zahlreiche Campingplätze existieren in dieser vom Tourismus lebenden Region. Wir entscheiden uns für den Platz mit dem eindrucksvollen Namen „Berlin“. Zu jedem Stellplatz gibt es einen Tisch und Stühle. Sehr angenehm. Dort sitzen wir bis spät in die Nacht, essen frisches Gemüse vom Markt. Tomaten, Paprika, Peperoni, dazu ein wenig Käse und Ekemek – Brot. Wir schreiben Tagebuch und trinken das ein oder andere Efes Pils. Warm wird es nicht, das Bier, im Gegenteil. Sobald die Sonne untergegangen ist, fallen die Temperaturen bis unter 10 Grad und wir frieren erbärmlich.

Görreme ist beeindruckend, doch alles wiederholt sich dort. Eine Höhlenwohnung sieht wie die andere aus, die Felsenkirchen sind ein wenig größer, das Muster jedoch dasselbe. Wir outen uns als Kulturbanausen und ziehen bereits mittags von hinnen. In gut einer Woche geht unser Schiff ab Marmaris im äußersten Süd-Westen der Türkei zurück nach Venedig. Wenigstens ein paar Tage möchten wir noch ausspannen. Anamur Kalesi. Die größte und am besten erhaltene Kreuzritterburg der Türkei muss es aber doch noch sein. Zwar habe ich selbst das Kastell schon zwei Mal besichtigt, Nela kennt es jedoch noch nicht.

Immer wieder ist es beeindruckend, inmitten der hohen Mauern auf den Wehrgängen in das Innere der Anlage zu blicken. Man kann sie förmlich vor sich sehen, die Reiter mit ihren Rössern, wie sie sie zum Wasser führen, anschließend in ihr Quartier gehen oder den Rittersaal. Die Festung liegt direkt am Meer. Durch die verfallenen Mauern sieht man die Brandung. Am Horizont die Segel der schiffe. Freunde jetzt, keine Angreifer mehr, wie vor tausend Jahren.

Wir folgen der Küstenstrasse nach Westen. Vor Jahren war ich an der Türkischen Riviera, wie hat sie sich verändert. Ein Hotelkomplex am anderen. Abends schlage wir unser Zelt auf einem Campingplatz zwischen zwei dieser Türme auf, in den Slums sozusagen. Das Restaurant bietet vorzügliche Küche und wir speisen genüsslich. Dann denken wir, wir sehen nicht recht. Mit Taschenlampen bewaffnet trottet eine Herde Menschen über den Strand direkt auf die Gaststätte zu. Die hat in der Mitte einen großen Freiraum, gleich einer Tanzfläche. Nela und ich bestellen noch ein Efes, denn das dürfte spannend werden. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine Gruppe deutscher Touristen aus dem benachbarten Hotel handelt. Voran der Reiseführer.

Offensichtlich ist es der erste Abend, denn es wird den Reisenden erklärt, dass man hier auch Durchfall bekommen kann, weil so ölig gekocht wird. Ich denke zurück an Latakkia und gebe ihm bedingt Recht. Anschließend schlägt der Reiseleiter ein Spiel vor. „Mein Hut der hat drei Ecken“. Wir bestellen uns noch etwas zu trinken.
Es werden Stühle herangeschafft, das Spiel beginnt. Wir genießen die Vorstellung als Außenstehende und werden unseres europäische Aussehens wegen immer wieder argwöhnisch von den Teilnehmern beäugt. Offensichtlich merken sie selbst, dass sie sich hier zum Kasper machen. Irgendwann gibt der Guide das Zeichen zum Aufbruch und die Taschenlampen werden wieder angeknipst.

Nela möchte noch Briefmarken für ihre Postkarten kaufen und folgt der illustren Truppe daher zum Hotel. Wenige Minuten später kehrt sie mit den Marken zurück und grinst freudestrahlend über das ganze Gesicht: „Ich weiß, wo wir morgen frühstücken!“ Offensichtlich blicke ich ausreichend bescheuert, damit sie mir die Erklärung sofort liefert. „Was die können, können wir schon lang. Da drüben wird gerade das Frühstücksbuffet aufgebaut und daran nehmen wir morgen teil“.

Am kommenden Morgen packen wir unsere Sachen zusammen. Als ich mir für den Gang in die Hotelhalle eine vernünftige Hose anziehen möchte meint Nela, das sei doch zu auffällig, ich solle meine kurze Turnhose anziehen, wie alle Touristen. Über den Strand schlendern wir zum Hotel, setzen uns an einen der Tische - man fragt uns, ob wir Kaffee oder Tee möchten - und begeben uns anschliessend zum Buffet. Aufregend ist es nicht, dem geschenkten Gaul aber schaut man nicht ins Maul. Eine halbe Stunde später stehen wir wieder neben unseren Motorrädern. Vom Hotel aus blickt der Kellner auf einer Terrasse stehend und rauchend zu uns herüber. Er winkt uns zu, als wir die Motoren starten und den Platz verlassen.

Nach wie vor sind wir auf der Suche nach einem angenehmen Platz für einige Tage. Doch Hotelanlage reiht sich an Hotelanlage, Hochhaus an Hochhaus. Es ist scheußlich, die Küste komplett zugebaut. Wir denken zurück an die Schönheit des Sinai, die Einsamkeit der Syrischen Wüste und sind uns einig, lieber mit einer Flasche Wasser und trockenem Fladenbrot dort inmitten des Nichts, als hier mit Efes und gefüllten Auberginen neben diesen Pauschalbunkern. Schließlich finden wir ihn, „unseren“ Platz. Auf halber Strecke zwischen Kemer und Kumluca biegen wir zum wiederholten Male auf eine kleine Strasse in Richtung Meer ab. Bei einem Tee in Cavus sagt man uns, dass es hier ein paar Kilometer weiter einen Strand gibt. Wir passieren ein weiteres kleines türkisches Dorf und stehen in einer kleinen Bucht. Ein Restaurant, in dem die Türken Domino spielen, ein paar Hütten, Fischerboote, sonst nichts. Das ist es. Wir mieten eine der Holzhütten, überraschend sauber und gut ausgestattet. In der kleinen Gaststätte versuchen uns die Leute, das Spiel beizubringen. Es funktioniert wohl so ähnlich, wie unser Rommee, nur nicht mit Karten, sondern mit Steinen.

Fünf Tage bleiben wir. An einem Abend wollen wir unbedingt unsere Wasserpfeife ausprobieren. Tabak und Holzkohle haben wir dabei. Im Blechdeckel einer Schraubendose bringe ich die Kohlestückchen zum Glühen. Der Wirt sieht das kommt zu uns und meint wir sollen aufpassen, alles sei hier strohtrocken. Als er erkennt, was ich da plane grinst er über beide Ohren, meint nur „Ah Nagili“ und zieht von hinnen. Ich habe den Pfeifenkopf derweil mit Tabak gefüllt und mit der Zange die Kohlestückchen darauf gelegt. Wie ein Bekloppter sauge ich nun an dem Rüssel aber nichts passiert. Kaum blubbert es in der Vase. Bereits halb grün im Gesicht kommt mir die Erkenntnis. Mit altem Zeitungspapier umwickle ich die ganzen Verbindungsstellen zwischen der Vase, dem Rohr und dem Mundstück und siehe da, jetzt funktioniert es. Der Geschmack ist umwerfend, nicht zu vergleichen mit dem „heißen“ Rauch unserer westlichen Pfeifen.
Wir fühlen uns großartig mit unserem Tee und der Pfeife auf der Terrasse vor unserem Bungalow sitzend und blicken auf’s Meer - den letzten Abend.

Fünf Tage waren wir in dieser Idylle, dann heißt es aufbrechen. Das türkische Essen ist unglaublich lecker, jedoch leider genauso unglaublich ölig und kalorienreich. Nach Wochen ziehen wir das erste Mal wieder unsere Lederhosen an. Sie passen noch, ein Glück. Vermutlich hatten wir in Jordanien und Syrien das abgenommen, was wir die letzte Woche wieder zugelegt haben.

Zurück über die Schotterstrecke geht es zur Hauptstrasse. In Cavus ist offensichtlich gerade große Pause, ein Haufen Schüler steht am Straßenrand und winkt. In ihren blauen Uniformen drängeln sie, um auf das Bild zu kommen. Um kurz vor sechs sind wir in Marmaris. Die Stadt ist so ätzend, wie ich sie in Erinnerung hatte. Morgen Früh geht von hier unser Schiff nach Venedig. Die Stimmung ist der Situation angepasst. Mehr oder weniger lustlos ziehen wir durch die Straßen, essen eine Kleinigkeit, gehen dann auf unser Zimmer. Früher hatte ich mich Sonntag Nachmittags immer so gefühlt, als Schüler. Zwar ist noch Wochenende aber das Damoklesschwert der Lateinstunde am Montag hängt schon über einem.

Die Tickets für die Passage besorgen wir direkt bei Abfahrt am Hafen. 340,- Mark bezahlen wir pro Person für Pullmann Plätze. Das ist die billigste Kategorie, Deckspassage gibt es nicht. Für die letzten Türkischen Lira kaufen wir Gewürze und etwas Honig, dann geht es auf das Schiff, das die nächsten drei Tage unsere Heimat sein wird.

Es ist bereits Anfang Oktober, Motorradfahrer sind daher nur wenige mit an Bord. Mit den paar kommen wir aber schnell in Kontakt. Einhelliger Tenor und Basis für jedes Gespräch: Die Getränke auf dem Kahn sind viel zu teuer. Die Dose Bier kostet den achtfachen (!) Preis, als in den Läden, das vierfache des Restaurant-Preises. Zu ärgerlich, dass wir nicht mehr Lebensmittel an Land besorgt hatten. Die Griechischen Mittelmeerfähren sind dagegen Discounter.

So nett es auch ist, entspannt und bei herrlichstem Wetter über die spiegelglatte See zu gleiten, mit der Zeit wird es langweilig. Einer der anderen Biker, ein Deutsch-Türke fragte die Besatzung, ob es Möglich sei, das Schiff einmal zu besichtigen. Das, was man als Passagier sonst nicht sieht. Der Kapitän gibt sein OK und wir folgen dem Matrosen auf die Brücke, wo uns die Navigation erklärt wird, die Steuerung und all das. Anschließend geht es nach unten in den Maschinenraum, wo eindrucksvoll über mehrere Stockwerke das Herz des Schiffes schlägt. Es besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Der Biker übersetzt vom Deutschen ins türkische und die Antwort entsprechend zurück ins Deutsche. Ich hatte einmal gehört, das es aufwendig ist diese Motoren zu starten und ich frage also, wie man diese Motoren startet. Der Matrose nickt und erzählt. Eine Minute, zwei, fünf. Aha, tatsächlich nicht so einfach, denke ich mir. Dann kam die Übersetzung: „automatisch“.

1200 Seemeilen liegen hinter uns, 90 t leichtes Heizöl haben die vier Motoren mit je 4.200 PS verbraucht, als wir in Venedig ankommen. Das Wetter passt, wir gleiten vorbei am Marcusplatz, sehen den Dogenpalast und rollen kurze Zeit später von Bord.

Der Rest in ein Klacks. Über Landstrassen fahren wir hinauf nach Norditalien. Passieren Castella, Trento und den Brennerpass. Es ist bereits dunkel, als wir in Scharnitz an der deutschen Grenze ankommen. Der Beamte winkt uns durch, wie fast üblich bei Motorradfahrern. Wir aber müssen zum Zoll, unser Carnet abstempeln lassen, um die 10.000 DM Bürgschaft vom ADAC zurückzubekommen. Mit lautem Knall landet der Bundesadler auf dem Dokument. Wir sind wieder „daheim“.

43 Tage waren wir unterwegs, über 7.400 Kilometer durch sieben Länder, und nutzten 4 Schiffspassagen. Sahen Jerusalem, Bethlehem, die Wüste Sinai, die Wadis der Jordanischen Wüste, die Felsenstadt Petra, Damaskus und Palmyra in Syrien, durchquerten Kappadokien und trafen unzählige freundliche, aufgeschlossene und hilfsbereite Menschen.

Weder gab es 1993 GPS noch das Internet. Zur Reisevorbereitung dienten Reiseführer, die Orientierung erfolgte mit Karte und Kompass. 2009 war ich nochmals in Syrien. Der Reisebericht ist >>hier ebenfalls veröffentlicht.
Vieles ist noch so, wie vor 16 Jahren. In erster Linie die Freundlichkeit der Menschen unterwegs. Vieles hat sich auch geändert. Es gibt mehr Autobahnen, der Verkehr hat zugenommen und Pisten wurden zwischenzeitlich asphaltiert. Mit diesen Veränderungen kann man gut leben, eine empfehlenswerte Reise ist es nach wie vor.