Die Grenze nach Rumänien passiere ich bei Nagylak. Eine unglaublich unfreundlich dreinschauende Zöllnerin vergleicht biometrisches Passbild mit behelmtem und Sonnenbrille tragenden Original - geradezu lächerlich. Direkt an der Grenze wechsle ich meine restlichen Forint und 50 Euro in Lei. Mit 1 : 39.000 bekomme ich den miserabelsten Kurs überhaupt, merke das aber erst 5 km weiter, als mir ca. 125 Wechselstubenbetreiber durchgängig 2.000 Lei mehr bieten.
Die Landschaft ändert sich, die ersten Ausläufer der Karpaten verlangen bereits die ein oder andere Kurve, Transsylvanien ist erreicht. Ab nun heißt es, bei Dunkelheit Acht zu geben! Die Strasse Nr. 7 wird zur Rennpiste. Anfangs mache ich das Gerase und Überhole noch mit. Dann fahre ich aber rechts ran, hänge mir meine Fototasche um und beschließe, ab sofort weniger für die nächste Rallye zu trainieren und dafür lieber nach geeigneten Motiven Ausschau zu halten.
Das siebenbürgische Sibiu – Hermannstadt – erreiche ich am Nachmittag. Die Bevölkerung in dieser Region setzt sich zusammen aus Rumänen, Ungarn und den „Siebenbürger Sachsen“. Alle Stadtnamen sind daher meist dreisprachig angegeben, unter anderem deutsch. Die Altstadt Sibius empfängt einen mit mittelalterlichem Flair. Die Renovierungsarbeiten sind in vollem Gange, zahlreiche alte Stadthäuser lassen aber noch erahnen, wie es vor einigen Jahren hier ausgesehen haben mag. Obwohl angesichts des Status als UNESCO Weltkulturerbe die Renovierungen sicher originalgetreu durchgeführt werden, passen zu meiner Vorstellung einer mittelalterlichen Stadt die alten Fassaden mit dem herabbröckelnden Putz fast besser. Ziel für heute ist die Kirchenburg Biertan - Birthälm. Als Schutz gegen feindliche Angriffe, befestigten die Rumänen ihre Kirchen bis hin zu wahrhaften Burgen. Biertan ist die am besten erhaltene. Schon von weitem sehe ich die imposante Anlage im Abendlicht leuchten. In der Tat ist die Kirche befestigt, wie eine Burg. Drei haushohe Mauerringe umgeben die gotische Hallenkirche aus dem 14. Jahrhundert.
Ursprünglich auf der Suche nach einem Zimmer, entdecke ich ein Hinweisschild zu einem Campingplatz in der nächsten Ortschaft, Richis – Reichesdorf. Richis ist nicht groß, dennoch kann ich besagten Platz nicht entdecken und fahre die Hauptstrasse mehrmals auf und ab. Schließlich frage ich in einer Bar und dort sagt man mir, das sich der Platz genau hier im Hinterhof befindet. Es öffnet sich ein riesiges Tor und gibt den Blick frei auf einen großen Innenbereich mit alten Stallungen und einer hervorragenden Grasfläche. Die Sanitäranlagen sind blitzblank sauber und zehn Minuten später steht mein Zelt in einer Ecke des Platzes.
Zu essen gibt es hier nichts, das frisch gezapfte Bier, das ich mir aus der Bar hole, schmeckt nach dem Tag jedoch vorzüglich. Auf Selbstversorgung eingestellt, hatte ich mich unterwegs bereits mit ein paar Lebensmitteln eingedeckt. Nachdem ich quer durch Transsylvanien muss, das nicht zuletzt aufgrund seiner blutrünstigen Schauergestalt Dracula weltweit Berühmtheit erlangte, habe ich mich beim Einkauf sicherheitshalber für Knoblauch-Salami entschieden. Man kann nie wissen. Mag die stinkende Knollenwurzel auch gegen so manchen Vampir helfen, die kleinen sechsbeinigen Blutsauger bleiben von ihr vollkommen unbeeindruckt. Am Abend setze ich mich zu den Dorfbewohnern hinaus auf die Strasse und sehe dem Treiben zu. Zwischen uralten Pferdefuhrwerken stöckeln die jungen Frauen in knallenge Jeans gepresst, mit Handy am Ohr zu ihren Verabredungen.
Ein weiteres Weltkulturerbe erreiche ich nur wenige Kilometer von Biertan entfernt in Sighisoara – Schäßburg. Der Stundturm der auf dem Berg gelegenen Altstadt ist weit über die Grenzen Rumäniens bekannt und ziert so ziemlich jeden Reiseprospekt des Landes. Schäßburg wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von deutschen Einwanderern, den Siebenbürger Sachsen, gegründet. Fälschlicher Weise wird die literarische Gestalt Vlad Tepes Draculea mit Schäßburg als dessen Geburtsstadt in Verbindung gebracht und nur um Haaresbreite entging Sighisoara der Errichtung des ersten Rumänischen „Dracula-Freizeitparks“.
Die weitere Fahrt auf der E60 ist der reinste Horror. Zwar schlängelt sich die Strasse selbst durch die schönste Mittelgebirgslandschaft der Karpaten, nur ist sie vollkommen überlastet. An kilometerlangen Staus fahre ich vorbei und bekomme von der grandiosen Landschaft kaum etwas mit. Bunesti, Rupea, und dann Brasov – Kronstadt sind dem Verkehrsaufkommen nicht gewachsen. Lkw’s über Lkw’s, Staub, Stau und dazwischen Pferdefuhrwerke. In Ploiesti biege ich ab Richtung Slobozia und weiter hinunter zur Donau und zur Bulgarischen Grenze bei Calarasi. Eine Fähre führt hier über den Fluss. An der Bulgarischen Grenzstation in Silistra fahre ich beinahe vorbei. Durch Zufall sehe ich zwei Uniformierte vor einem Haus Kaffee trinken und frage die beiden. „Ja, ja, hier Grenze, da hinten Bulgarien“... >>weiter lesen