Erste Frage: „Muss ich hier fahren?“ Das waren vor jeder Übung die Worte des Instruktors im Enduropark Hechlingen. Es ist schon ziemlich lange her, dass ich dort war aber die Erinnerung daran kam mir bei so mancher Passage hier in Albanien.
Mein Ziel war es, möglichst viel offroad zu fahren. Die Q „artgerecht“ zu bewegen, wie Tomm Wolf sagen würde. Und das ist mir gelungen.. Rückblickend war es Leichtsinn, die ein oder andere Passage alleine zu fahren. Ein Fehler, den Lenker verrissen, den Abhang hinunter – hier findet einen kein Mensch. Und prompt hatte ich auf dieser Strecke zwei saftige Pannen. Aber der Reihe nach:
Es ist Anfang August, in Deutschland schifft es seit Wochen und ich habe ein Ticket für die Fähre Rijeka – Split. Der Dampfer den die Kroaten hier einsetzen, ist bereits unter Tito gefahren. Klein, stark, schwarz, charakterisieren ihn wohl am besten. Da die Fahrt nur 13 Stunden über Nacht geht, haben scheinbar alle Passagiere Deckspassage gebucht. Keinen Fuß bekommt man nachts mehr auf den Boden, so viele Körper liegen verteilt auf den Planken. Die BMW steht ganz vorne an der Luke und ich bin von Bord, da zurren die anderen Biker noch ihre Packsäcke fest.
Gefühlte 100 Ampeln, alle rot, hallten mich auf, auf dem Weg nach Süden und die gleiche Anzahl an Badeorten lassen die Durchschnittsgeschwindigkeit nicht merklich über 50km/h steigen. Doch dann ist es vorbei damit. Die Küste wird steiler, die Strände verschwinden und mit ihnen die Badeorte. Der Verkehr ist gering, die paar Autos und Busse sind schnell überholt. Und gegen Mittag schon halte ich dem Bosnischen Zöllner meinen Pass unter die Nase.
Meine sonst guten Erfahrungen mit den Karten aus dem OSP für mein GPS lassen sich für den Balkan nicht bestätigen. War ich in Marokko damit bestens bedient, so ist die Abdeckung hier nicht so der Kracher. Zudem hat es Probleme bereitet, die Dinger auf meine Handgurke zu laden. Tatsächlich arbeite ich mich im digitalen Zeitalter also mit einer analogen Landkarte vorwärts – und das geht auch, ich hatte es fast vergessen. Bosnien ist schnell passiert und von Albanien trennt mich jetzt nur noch Montenegro. Ich möchte oben im Norden über den kleinen Grenzübergang nach Vermosh. Höher und höher schrauben sich die Strassen, werden schmäler und schmäler, haben erst keinen Mittelstrich mehr und schließlich mehr Schlaglöcher, als Asphalt.
In Andrijevika ist meine Konzentration auf null. Es ist sechs Uhr abends, die Nacht auf der Fähre steckt mir noch in den Knochen und die Hotelreklame ist einfach zu verlockend. Also den Blinker raus und den Einkehrschwung in den Biergarten vor dem Hotel. Viele Herbergen liegen auch danach noch auf der Strecke, sehe ich am kommenden Tag. Der Plav-See scheint eine Urlaubsregion zu sein, entsprechend hoch ist das Angebot. Um den Grenzübergang nach Albanien zu finden, ist allerdings Spürsinn gefragt. Wobei man einfach nur der schmalsten und schlechtesten Strecke folgen muss. Nach einigen Kilometern Geholper biegt man um eine Ecke und sieht zwei Holzhütten mit Schranke vor sich. Der 24 Stunden geöffnete Grenzübergang liegt vor mir. In der Amtsstube steht ein Feldbett, aus einem Volksempfänger dröhnt in abartiger Lautstärke irgendein folkloristisches Gedudel. Auf albanischer Seite das gleiche Spiel, jedoch ohne Radio. Die Straße sei die nächsten drei Kilometer etwas schlecht, sagt mir der Zöllner und wünscht mir lächelnd eine gute Reise.
„Die nächsten drei Kilometer“ ist der blanke Hohn. Kurz vor Vermosh ist die Straße blitzblank asphaltiert, die ganzen restlichen 65 Kilometer sind Schotter - aber deswegen bin ich ja da. Den Abzweig nach Hani Hotit findet man mit der gleichen Strategie, wie den Abzweig zur Grenze, einfach nach dem schlechtesten Weg Ausschau halten. Eine schöne Schotterstrecke braucht hier keiner erwarten. Irgendwo müssen die Schlaglöcher ja hin und hat man keinen Teerbelag, in den man sie gräbt, nimmt man eben Naturstraßen. Ein furchtbares Gehoppel ist das, selten steht die Tachonadel über der 40. Umso angenehmer ist es, dass ich unendlich viel Zeit habe.
Durch traumhafte Schluchten und über Pässe windet sich der Weg. Immer wieder passiert man Dörfer, die Häuser weit verstreut an den Hängen. Nur einmal komme ich durch so etwas, wie ein Zentrum. Der Weg führt vorbei am Fußballplatz, ein Spiel ist im Gange, der Hammel am Spieß sollte in 90 Minuten dann auch fertig sein.
Gegen Mittag treffe ich auf die Hauptstraße nach Shkoder. Ich tanke und erhalte als Wechselgeld für meine Euro albanische Leke. Sehr gut, Geld wechseln konnte ich bisher noch nicht. Als ich grad los will, hält eine Belgische Familie mit Wohnwagen neben mir. Ob ich wüsste, wo sie die Straßenbenutzungsgebühr bezahlen können – hä?! Keine Ahnung sage ich, so was gibt’s hier nicht. Zur Sicherheit fragen sie den albanischen Tankwart. Der lacht und meint „für diese Strassen auch noch bezahlen?!“
Ziel für heute ist Theth. Am Abzweig in Koplik ziehe ich aus einem Automaten Geld und frage nach dem Weg. Kurz danach bin ich wieder auf einer nagelneu asphaltierten Strasse hinter ins Tal. Dass dieser Weg deutlich besser sein soll, als der andere durch das Kir-Tal steht im Reiseführer und wurde mir von drei österreichischen Bikern in Rijeka bestätigt, aber Asphalt? In Boga steht vor einer Kuppe ein Reisebus, ich nehme das Gas weg und trete ein paar Meter später voll in die Eisen. Gerade kann ich die Geschwindigkeit noch so weit reduzieren, dass ich nicht mit 60 km/h voll ins Bachbett rausche. Schlagartig ist die perfekte Strasse direkt hinter der Kuppe zu Ende, es folgt eine 20 cm hohe Stufe und die Reifen poltern über loses Geröll. Erste und wichtigste Lektion: Grundsätzlich immer mit allem rechnen.
Ich habe einmal überlegt, was mir in Kurven schon alles begegnet ist: Der beste Belag hört schlagartig auf und wird zum Schotterweg; ein Hund fällt mich an; Ziegen und/oder Kühe stehen dicht gedrängt auf der Straße; die Viecher sind weg, die Fladen aber noch da; Schlaglöcher, Sand, fußballgroße Felsen vom Steinschlag liegen dort; ein Bagger schiebt unangekündigt von oben gerade den Hang nach unten, weil die Strasse neu gebaut wird; ein Baum wird gefällt und kracht vor mir auf die Straße; zwei Lkws kommen mir nebeneinander entgegen, hupen aber freundlicherweise. Vermutlich habe ich noch einiges vergessen doch eines ist sicher, Albanien ist nicht das geeignete Terrain, um Schräglagen zu testen.
Auf dem Weg nach Theth dürften die ersten Kilometer nach dem Ende der Asphaltstraße die schlechtesten sein. Sehr viel loses Geröll, steile Kehren, insgesamt sehr unangenehm zu fahren. Gigantisch ist dafür der Thora-Pass mit seinen 1.660 m Höhe. Eine letzte Rampe geht es steil nach oben, dann kommt ein Hohlwegartiger Einschnitt und vor einem öffnet sich ein Gebirgspanorama, das fast schon beängstigend schön ist.
Die ersten Unterkünfte in Theth werden bereits weit vordem eigentlichen Ort angeboten. Ich fahre jedoch bis hinunter zum Shala-Bach und über die Hauptbrücke gegenüber gleich in die erste Bar. Muss einfach sein, wobei ich mir das Bier verkneife und ein Cola bestelle. Erst mal eine Unterkunft suchen, wer weiß, wo ich noch hin muss. Strassen gibt es in dem Ort nicht, nur Eselspfade. Der ehemalige Sportplatz neben der Schule dient als Camping. Ich frage in der Kneipe daneben, was es kostet - 1,- Euro. Dusche gibt’s nicht, ich kann aber gern den Gartenschlauch benutzen. Egal, ich bin ja allein im Zelt, kommen wir zum Wesentlichen, der Getränke- und Essensbestellung.
Pappsatt und zufrieden falle ich um 10 ins Bett. So heiß es tagsüber ist, nachts ist es schön, einen Daunenschlafsack zu haben. Am kommenden Morgen lädt mich der Wirt zum Kaffee ein. Dass ich keinen Raki möchte versteht er nicht, schließlich muss ich doch was frühstücken. Wir lachen, er erklärt mir noch den Weg hinüber ins andere Tal und entschuldigt sich dafür, dass diese Strecke etwas schlechter sei. Das kann ja heiter werden.
Es lässt sich auch etwas rustikaler an, Steinstufen, Geröll und ständige Wasserdurchfahrten, wenn auch harmlos, finden sich gleich hinter Theth. Richtig schlecht wird die Strecke angeblich ab km 17. Ich halte öfter, um zu fotografieren. Ganz so schlimm, wie von allen geschildert wird es dann nicht, zumindest, was den Weg anbelangt. Ständig warte ich auf das „dicke Ende“. Es kommt vollkommen unerwartet und hat nichts mit der Strecke zu tun. Bei einem Fotostop steht die BMW sehr steil auf dem Seitenständer. Ich komme blöd an den Sattel und sie kippt mir auf die gegenüber liegende Seite. Weit fallen kann sie nicht, die Felswand ist gleich rechts daneben. Das Geräusch, das Sie macht, als sie dagegen fällt, klingt aber ganz seltsam. Als ich sie aufrichte, sehe ich eine Pfütze. Das ist kein Benzin – das ist Öl! Scheiße! Ich stelle sie hin und schaue mir den Motor an. Tatsächlich hat ein Spitzer Stein ein Loch in den Ventildeckel geschlagen. So ein verdammter Mist. Das hier oben in den Bergen, 40 km von Shkoder, der nächst größeren Stadt entfernt. Was tun, sprach Zeus...
Es geht bergab, die Passhöhe liegt hinter mir, das ist schon mal gut. Der Deckel lässt sich wenden, dann ist das Loch oben und nur herauslaufen kann so kein Öl mehr. Dennoch irgendwie muss ich das Loch dicht bekommen. Darunter baut sich Druck auf und sprüht oben so ständig einen feinen Ölnebel heraus. Ich schiebe die Kiste also etwas in den Schatten und drehe den Deckel um. Da kommt ein Kräutersammler vorbei. Tomm Wolf hatte in Aras mal erzählt, dass er ein gleiches Problem mit weichgekautem Weißbrot gelöst hat, ich frage den Sammler, der hat aber nichts dabei. Dann habe ich Glück, ein uralter DDR-Lkw quält sich den Weg herauf. Ich halte die beiden Insassen an, zeige ihnen mein Problem und frage sie, ob sie etwas Brot dabei haben. Vermutlich denken sie, ich habe einen totalen Dachschaden, jetzt an nichts anderes, als Essen zu denken, aber sie haben tatsächlich etwas dabei und brechen mir ein Stück ab. Ich kaue, wie ein Weltmeister und klebe mit dem Teigklumpen das Loch zu. Das schwierigste ist tatsächlich, den Brei nicht runter zu schlucken. Der Ventildeckel ist nur noch warm. Wenn er später richtig heiß wird, sollte dies den Klumpen hart werden lassen und zumindest bis zu einer Werkstatt halten. In Shkoder müsste sich etwas Kaltmetall auftreiben lassen.
Erst mal rolle ich aber bergab. Das geht ziemlich lange gut, bis zur ersten kleinen Steigung. Also auf den Anlasser gedrückt und ... es hält dicht. Ich werde mutiger, lasse den Motor auch bergab laufen. Bei einem Stopp pfeift es wieder ein wenig unter meinem „Pflaster“. Ich lege noch etwas nach und forme der BMW einen richtig großen Teigpickel auf dem rechten Zylinder. Tatsächlich hält das Provisorium bis unten ins Tal. Wer weiß, wie weit noch, doch gleich die erste kleine Werkstatt kann mir helfen. Der Mechaniker kratzt so schnell die Brotkruste vom Zylinder und rührt die Paste an, dass ich grad noch schnell die Oberfläche mit etwas Benzin wenigstens einigermaßen ölfrei machen kann. Das sei egal, meint er – na ja, schaden wird’s auch nichts.
Ich bin mächtig stolz auf mein Improvisationstalent und halte an meinem Etappenpunkt für heute fest – Kukes.
Die Stadt ist keine Schönheit – welche der albanischen Städte kann das schon von sich behaupten – ist aber groß genug, dass es ein vernünftiges Hotel geben sollte. Die Strasse ist in bestem Zustand. Später wird sie holpriger mit viel Dreck auf der Fahrbahn. Erst rieche ich es, dann ist es unübersehbar, der Hügel auf der anderen Seite steht in Flammen. Ein Waldbrand, der bereits zahlreiche Schaulustige angezogen hat, ist in vollem Gange. Schließlich passiere ich Orte, die ich von letztem Jahr kenne, am Ende eine kleine Kneipe, in der Nela und ich Pause machten, in der Annahme wir seien fast an unserem damalig Ziel, der Koman-Fähre. Und bis hier war es weit, das wusste ich noch. Was für mich locker noch zwei weitere Stunden Fahrtzeit bedeutete. Nach dem heutigen Tag, noch eine Menge. Kukes erreiche ich gegen sieben, gleich das erste Hotel nehme ich – Hotel America. 40 Euro für das blitzblank saubere Zimmer , inkl. Frühstück. Kein Schnäppchen und das teuerste des gesamten Urlaubs. Heute muss es aber sein.
Kommenden Tags ist die einzige „richtige“ Industriestadt Albanien mein Ziel – Elbasan. Dort hatte Enver Hoxha einst mit chinesischer Hilfe ein Ruß-speiendes Stahlwerk errichten lassen. Ausgleich dafür, einige Grünanlagen in der Stadt selbst. Den Weg dorthin treffe ich nicht genau und lande auf der weiter östlich verlaufenden Route nach Peshkopi. Dort ist die Asphaltierung schon ziemlich weit fortgeschritten. Staubig wird es nochmal auf der Strecke entlang der Makedonischen Grenze nach Librazhd.
Viele Dinge sind in Albanien schwer zu bekommen, unter anderem wohl auch Wegweiser. Das blöde ist, dass auch meine Landkarte derart ungenau ist und ich mich deswegen schon zigmal verfahren hatte. Ein Grund dafür, häufig zu halten und zu fragen, ob ich noch auf der richtigen Strecke bin. Blöd nur, wenn man dann auch noch eine falsche Auskunft bekommt, so geschehen heute. Den Abzweig nach Cerrik verpasse ich irgendwie, lande ungewollt im Falschen Tal und merke das erst 40 km später in Gramsh. Das ist deswegen so ärgerlich, weil ich somit im Prinzip gleich nach Griechenland fahren könnte oder eben 40 km zurück. Dann sehe ich aber kurz hinter Gramsh eine Brücke über den Fluss hinauf in die Berge. Die Karte verrät mir die Klassifizierung: „Fahrweg“, also die unterste Kategorie. Irgendwie wird’s schon klappen, ich frage sicherheitshalber nochmal nach, als ich abbiege „Berat?“ „Po – Ja“ ist die Antwort. Also am Gasgriff gezogen und die holprigen Kehren nach oben.
Wieder frage ich so ziemlich jeden, den ich sehe nach dem richtigen Weg. Die Piste wird schlechter und schlechter. In Tunje stelle ich das erste Mal fest, dass ich einen Umweg gefahren bin. Aber wo war da eine Abzweigung? Es geht steil bergan. Sehr viel loses Geröll in steilen Kehren. Die Luft in den Reifen habe ich auf diesen Strecken reduziert. Unglaublich, was das ausmacht.
Die Reise-Know-how-Karte sagt einwandfrei links, als ich wieder zwei Jungs frage. Diese sind damit beschäftigt, irgendwelches Gestrüpp auf einem Esel festzuzurren. Nein, meinen sie, ich muss zurück und dann da vorne links, also von der ursprünglichen Strecke rechts abbiegen. Das kann nicht sein. Ich frage nach einem weiteren Ort – Belesove. Die Antwort ist die gleich. Das liegt auch da hinten. Sie sind sich ihrer Sache so sicher, dass ich wende und den Pfad auf die andere Seite des Hügels nehme. Was jetzt kommt, ist der blanke Horror. Erst geht es durch einige Sandmulden (?) leicht bergan, dann fällt das, was vom Weg noch übrig ist steil bergab. Wasser und Schnee haben diesem Pfad vollkommen den Gar ausgemacht. Links und rechts sind zwei kleine Huckel, dazwischen faustgroßes Geröll. Ab und an Steinstufen und tiefe Auswaschungen. Ich fluche laut vor mich hin. Wenn das hier falsch ist und ich hier wieder rauf muss, dann Malzeit. In einer Siedlung halte ich, um nochmals zu fragen. Aber kein Mensch ist zu sehen. Ich stiefle durch Vorgärten und über trockene Äcker bis ich zwei Frauen treffe. Doch, Berat liegt da hinten, das ist richtig. Wenigstens etwas.
Noch fast eine Stunde quäle ich mich über diese Eselswege. Was bin ich froh, dass ich ohne Koffer unterwegs bin. Nur eine Flasche Wasser hätte ich cleverer Weise vielleicht mitnehmen sollen. Schließlich hat mich die Zivilisation wieder. In der ersten Kneipe schütte ich einen halben Liter Wasser auf ex herunter. Schweißgebadet sitze ich in der Kneipe und beantworte radebrechend Fragen auf Italienisch. Überraschend viele Albaner sprechen italienisch oder weiter südlich griechisch. Es hat locker 35 Grad und ich schwitze unter meiner Endurojacke, wie ein Schwein. Dann komme ich nach Berat – und es schifft aus Eimern. Glück im Unglück, hätte auch da oben im Gebirge sein können.
Ein letztes Mal entscheide ich mich für eine offroad Strecke. Zu verlockend ist die Beschreibung im Reiseführer und spart 60 km, wenn auch keine Zeit. Ziel ist Gjirokaster, genauer, der Biergarten auf dem zentralen Platz unterhalb der Burg. Dort werde ich heute am frühen Abend sitzen und bevor es morgen auf die Fähre geht, ein kühles Korca Bier trinken – dachte ich.
Den Weg hat wohl vor 1.000 Jahren jemand gepflastert. Wie früher üblich mit schmalen, senkrecht im Boden stehenden Steinen. Natürlich fehlt inzwischen der Großteil dessen, übrig geblieben ist eine vergleichsweise gute offroad Strecke. Darüber bin ich auch ziemlich froh. Als kurz halte pfeift ein Schäferhund aus einer Ruine und hält laut bellend auf mich zu. Der meint es ernst habe ich den Eindruck und gebe Gas. Das Tier ist schnell und hat offensichtlich eine deutlich bessere Federung, als die BMW, die dafür die bessere Kondition.
Der Weg führt über Buz. Mitten auf der Strecke ist die Ortsdurchfahrt auf einmal blitz blank asphaltiert. Ich halte vor der Post (wie lange hierher wohl ein Brief braucht?) und frage mal wieder nach dem Weg. Kurz danach höre ich ein beängstigend lautes Rauschen von den Reifen. Ich halte und sehe, der hintere Reifen ist platt. Ganz toll! Also zurück zu der illustren Männerrunde auf dem Platz. Hinten im Reifen steckt ein riesen Nagel.
In meinem Packsack ist eine Dose niegelnagelneuer Reifenpilot, der laut Aussage eines Bikers, den ich in Marokko getroffen habe, das non plus Ultra sein soll. Ich krame die Dose also raus, lese die Anleitung und in den Reifen quillt irgendeine weiße Pampe. Danach soll man gleich losfahren. Mache ich auch. Hangabwärts, die Schotterstraße. Nach 2 Kilometern ist der Reifen wieder platt. So kann ich nicht weiter fahren, also die Kiste gewendet, abgestiegen, den ersten Gang rein und mit laufendem Motor den Berg „raufgeschoben“. Nach 500 Metern siehe ich Helm und Jacke aus. Nach einer Ewigkeit erreiche ich die Männerrunde zum dritten Mal. Der Reifen ist zwischenzeitlich vollkommen lose im Tiefbett der Felge. Der Nagel ist scheinbar quer durch den Reifen und hat direkt an der Felge ein zweites Loch fabriziert. Das war zu viel. Warum habe ich Vollpfosten eigentlich nicht das Schlauchlos-Reparaturset mitgenommen?! Ich könnte mich derart ohrfeigen!
Also, irgendwie muss ich mit dem Rad jetzt die 30 Kilometer runter in das nächste Kaff zu einem Reifenflicker. Den gibt es – an Hauptstraßen(!) – ja glücklicher Weise zu Hauf. Nach langem hin und her bietet mir einer an, mich für 4.000 Lek (ca. 27 EUR) zu fahren. Das Rad landet auf der Ladefläche des Pick-ups, ich packe den Sprachführer ein und wir zwei haben eine Stunde reichlich Gesprächsstoff.
Erst weigert man sich in der Reifenbude unten im Tal einen Schlauch in den schlauchlos Reifen zu montieren. Nachdem es aber derart aus den Löchern pfeift, besinnt man sich eines Besseren. 17“ hat der zwar, aber für Felgenbreite 2,75. Ich habe einen 130/80 drauf. Was soll’s drei Stunden nachdem ich das erste Mal in Buz angekommen bin, verlasse ich es wieder, diesmal rechts ab über die bis ins Tal asphaltierte Straße. Zwar wird es nichts mehr mit dem Biergarten in Gjirokaster, dass ich überhaupt aus diesem Bergkaff heute wegkomme, damit hatte ich aber gar nicht gerechnet.
Es ist fast neun, als ich auf der Dachterrasse des Hotels sitze, den Blick auf eines der drei UNESCO Weltkulturerbes Albaniens und hervorragend esse.
Der Nächste Tag gehört allein der Rückfahrt. Die Grenze nach Griechenland passiere ich bei Konispol. Mittags bin ich in Igoumenitsa, bekomme noch ein Ticket für die Fähre heute Abend nach Ancona und bin, wie letztes Jahr, wieder der einzige deutsche Biker auf dem Schiff – und der dreckigste!