Bei türkischem Standard-Frühstück, bestehend aus Weißbrot, Oliven, Tomaten und Käse dann der Schock. Der Kellner spricht mich an: „You want to go to Iran today? – Problem, Iran closed! Perhaps tomorrow.“ Schlagartig habe ich keinen Appetit.

Eine halbe Stunde später stehe ich vor einem Sattelschlepper, der quer über die Straße stehend das Grenztor blockiert. Na toll. Doch ich kann gar nicht so schnell fluchen, wie mir ein Mann deutet, ich solle um den Lkw herum fahren.

Ein leidiges Thema ist, dass die höheren Beamte an den Grenzen in Zivil auftreten. Man weiß also nie, ob der Gegenüber tatsächlich ein  Staatsdiener ist, ein Schlepper oder ein Geldwechsler. Auch hier versucht dieser „Zivilist“ seine Masche mit mir, doch ich frage ihn, ob er von der Polizei sei. Nein, „Service“ ist die Antwort. Na dann ist ja alles klar. „Thank you, I don’t need service!“

Auf Iranischer Seite klare Anweisungen. „You park here, passport control there“. Es dauert keine 20 Minuten und ich habe alle Stempel. „Welcome to our country“ sind die Worte am letzten Checkpoint und ich bin drin im islamischen Gottesstaat.

Insgesamt wurde in verschiedenen Foren die Benzinversorgung als nicht immer ganz einfach dargestellt. Zwar verfügt der Iran über gewaltige Ölvorkommen, doch Benzin ist Mangelware. Sicherheitshalber hatte ich daher in der Türkei noch ein paar Liter in den Tank gelassen. Meine Befürchtung war jedoch vollkommen überzogen. Gleich die erste Tankstelle hinter der Grenze steuere ich an und tanke für lächerliche 30 Cent den Liter.

Die Strecke führt mich entlang der Türkischen Grenze hinunter Richtung Süden und folgt im Wesentlichen einem Tal oder besser Hochtal. Der Iran ist ein gebirgiges Land und unter 1.500 Metern Höhe befindet man sich selten.

Sehenswert schon hier, quasi im Hinterhof der Islamischen Republik, sind die Moscheen. Selbst in den kleinsten Ortschaften finden sich an ihnen mit Mosaiksteinen besetzte Außenwände, reich verzierte Minarette und goldene Kuppeln. Auch der Baustil ist ein vollkommen anderer, als in der Türkei.

Orumiyeh erreiche ich gegen fünf Uhr nachmittags. Das GPS kennt hier genau ein Hotel mit Namen „Unbekannt“. Dorthin lasse ich mich lotsen. Erfahrungsgemäß sind dort, wo es ein Hotel gibt immer auch andere. Das „Unbekannt“ kann ich beim besten Willen nicht entdecken, obwohl das Navi steif und fest behauptet, ich stünde direkt davor. Also frage ich einen Polizisten. Meine freie Interpretation seiner gefauchten Antwort lautet so etwas, wie „da hinten“ und tatsächlich befindet sich dort das Hotel Ana ganz in der Nähe der Einkaufsmeile.

Für Frauen gibt es eine gewisse Kleiderordnung im Iran. Die Haare bedeckt und ein Umhang oder zumindest knielanger Mantel sind Vorschrift. Wie gerade die jüngeren Frauen diese Vorgaben umsetzen, dürfte jedoch nicht im Sinne der Mullas sein. Das Kopftuch ist weit nach hinten geschoben, so dass die dunklen Haare hervortreten, der eng anliegende Mantel betont die weiblichen Rundungen. Dazu die ebenen Gesichtszüge mit den starken Wangenknochen, dunkle, rehbraune Augen und tiefrote Lippen. Ich muss sehr aufpassen, wohin ich schaue.

Das Hotel verfügt über WiFi, doch aus meinem heutigen Artikel im Blog wird nichts. Als ich die Seite aufrufe, kommen nur Schnörkel auf Farsi in der schönsten Kalligraphie. Erst checke ich nicht, was los ist, muss aber dann erkennen, dass die Seite wohl zensiert ist. Der Iran blockiert nach China die meisten Seiten, darunter alle Blogs – toll!

Die BMW schläft vor dem Seiteneingang. Beim Beladen am kommenden Morgen, dauert es nicht lange und ich habe Gesellschaft, ein Taxifahrer und einige Studenten. Alle sprechen sehr gut Englisch. Ob sie ein Foto machen dürfen? Aber gerne doch! Als die ganze illustre Truppe dann Käsekuchen-mäßig in die Kamera grinst, meint einer „Iran people are no terrorists!“ Alle platzen fast vor Lachen und auch ich habe zwischenzeitlich erkannt, dass sich die Berichterstattung in den Medien der „freien Welt“ und die Realität hier vor Ort diametral unterscheiden.

Es geht südlich entlang der Irakischen Grenze nach Bukan und von dort auf kleinen Straßen nach Osten. Nachmittags erreiche ich Takht-e-Soleyman, den Thron des Salomo, eine Befestigungsanlage aus dem 5. Jahrhundert. Auf dem Parkplatz spricht mich ein junger Mann an. Woher ich komme? „Alman – Deutschland“. Ah, ob ich Herrn Hitler kenne? Mir fällt fast die Kinnlade herunter. Er sei ein großer Bewunderer von Herrn Hitler. Meine Aufklärungsversuche dürften auf taube Ohren gestoßen sein. Eine ungefähre Vorstellung über die Inhalte des Iranischen Geschichtsunterrichts habe ich jetzt auf jeden Fall.

In meinem Lieblingsbuch, Umberto Eco’s ‚Das Foucaultsche Pendel‘, wurde er erwähnt und in zahlreichen anderen Erzählungen auch – der Felsen von Alamut. Es handelt sich um eine uneinnehmbare Festung, errichtet im Jahr 840 auf einem gewaltigen Felsklotz und erreichbar von Qazvin aus, einer Kleinstadt 100 km nördlich von Teheran.

Das Herumgefahre über Nebenstrecken durch die Iranische Gebirgslandschaft kostet mehr Zeit, als ich mir dachte. Das Land ist riesig. So hadere ich mit mir, Alamut zu besichtigen. Zumal von „besichtigen“ nicht wirklich die Rede sein kann, zu sehen gibt es dort außer der exponierten Lage nichts. Die Festung ist bis auf ein paar Mauerringe vollkommen zerstört und zudem eine Sackgasse. Das bedeutet 120 km von Qazvin hinauf und 120 km wieder herunter. Nach ausgiebigem Kartenstudium und der Erkenntnis, dass es mit Gebirge in der bisherigen Form jetzt eh vorbei ist, nutze ich einen kompletten Tag für die Aktion und schlafe im selben Hotel.

Das absolute Highlight ist Isfahan. 10 Tage gestattet mir mein Touristenvisum den Aufenthalt und trotz der gewaltigen Entfernungen im Iran steht fest, diese Stadt in nur einem Nachmittag durchzuhecheln würde ihr nicht gerecht. Ich hechle daher einen vollen Tag durch die Moscheen, den Ali Qapu Palast, über den Meydan-e Imam und den Bazar. Abends im Hotel sehe ich im Fernsehen etwas von Unruhen angesichts eines Videos über Mohamed. Der halbe Islam ist auf den Beinen. Hier konnte ich nichts feststellen, doch in Pakistan scheint es richtig rund zu gehen.

Isfahan übertrifft alle anderen Städte an Erhabenheit und Schönheit. Dennoch, auch die Königsstädte auf dem Weg nach Süden, Yazd, Kerman und Bam, aufgereiht, wie Perlen an einer Kette, haben ihre Reize. Besonders Yazd mit seiner blitzblank sauberen Altstadt in schönstem Malkasten-Ocker, den allgegenwärtigen Windtürmen und den verwinkelten Gassen zieht mich in seinen Bann.

Doch ich muss weiter, Pakistan ruft bereits und es ruft so laut, dass mich bereits in Bam, noch über 400 km vor der Grenze entfernt, eine Eskorte an der Rezeption erwartet. Es nervt einfach nur und dürfte hier auch vollkommen überflüssig sein. Abgesehen davon, dass Reisetempo und Stopps von der Staatsmacht bestimmt werden, mutiert es geradezu zur Lächerlichkeit, als sich die letzten Kilometer ab Zahedan ein junger Soldat ohne jegliche Bewaffnung zu meinem Schutz (!) hinten auf die BMW setzt.

Dennoch hat sich in den letzten 10 Tagen mein Weltbild geändert. Die Achse des Bösen verläuft vielleicht durch das Regierungsviertel in Teheran, sicher jedoch nicht außerhalb dessen. Selten habe ich so viele herzliche, freundliche, hilfsbereite und offene Menschen getroffen, wie im Iran.

Mir Javeh heißt der letzte Ort auf iranischer Seite und dort soll es eine Tankstelle geben. Das ist auch dringend nötig, denn die nächsten 650 km kommt der Sprit aus alten Fässern und Kanistern. Die Schlangen sind lang vor den Zapfsäulen, jeder tankt etliche hundert Liter in alles andere, als TÜV-konforme Behälter, Schmuggelware für Pakistan?

Die Formalitäten auf Iranischer Seite dauern keine viertel Stunde, mein Begleitschutz erledigt alles. Ein letzter, fast freundschaftlicher Händedruck, dann drücke ich den Anlasser und fahre über die Schwelle des Grenztores nach Pakistan... >>weiter lesen